über uns

Wenn es ein Thema gibt, das sich durch unser diesjähriges Festivalprogramm zieht, dann ist es das der kollektiven Arbeit. Die Abkehr vom Verständnis des Künstlers (bewusst im Maskulinum) als singuläre Einheit, als einsames Genie, das in solitärer Arbeit seine Meisterwerke hervorbringt, gilt schon lange als überholt und hat seit geraumer Zeit den verschiedensten kollektiven und gruppen-emanzipatorischen Ansätzen Platz gemacht. Dieser Drang nach einem Miteinander führte dazu, dass unser Eröffnungsprogramm von zwei Filmemacherinnen gemeinsam zusammengestellt wurde, die wir eingeladen haben: Eva Claus und Ewelina Rosinska werden nicht nur ihre eigenen Arbeiten vorstellen, sondern haben auch jeweils einen Film von anderen Filmemacher:innen ausgewählt, die für sie und ihre Arbeiten bedeutend sind. 

Das Filmemachen von Gunvor Nelson, der wir eine unserer beiden großen Werkschauen dieses Jahr widmen, entstand schon immer durch den Kontakt mit anderen. Frequentierte sie während ihrer Zeit in San Francisco die Kreise um die Canyon Cinema Group, mit Persönlichkeiten wie Bruce Baillie, Chick Strand, James Broughton und Robert Nelson, so schreibt sich dieser Hang zur Komplizenschaft in ihr gesamtes künstlerisches Schaffen ein, von den auf 16mm gedrehten Werken, die dokumentarische, autobiographische und experimentelle Ansätze in spielerischer und teils absurder Weise miteinander vermengen, bis hin zu neueren Video-Arbeiten. Wie die Kuratoren Martin Grennberger und Daniel A. Swarthnas, mit denen wir eine bestimmte Aufmerksamkeit für die filmische Form und einen ähnlichen Blick teilen, in ihrer Einführung zur Werkschau schreiben: 

“Sie hat immer aus einer intimen und privaten Perspektive gefilmt, auf ihre eigene Art und Weise, und oft Dinge und Menschen in ihrer Nähe und der Umgebung, in der sie lebt: sich selbst, in ihrem Haus, ihrem Garten, ihrer Familie, ihren Freunden, dem Fluss vor ihrem Haus in Kristinehamn, in San Francisco, am Muir Beach - und nicht zuletzt das alles in Bezug zu der eigenen Malerei.“

Mit unserer zweiten großen Programmschiene, die Helga Fanderl gewidmet ist, erfährt der Begriff des Kollektiven eine Sinnverschiebung. Zwar erarbeitet Fanderl ihre Super 8-Filme alleine, nur mithilfe ihrer Handkamera, jedoch steht sie stets durch ihre spezifische Herangehensweise mit der Umgebung, die sie filmt und den Motive, die sie wählt in enger Verbindung: “Die Welt ist nicht Gegenstand des Films, sondern sein Material”, wie sie Philippe-Alain Michaud in ihrer Einführung in die Programme anlässlich unseres Festivals paraphrasiert. Stärker noch wird der Aspekt der Gemeinschaft aber in Fanderls spezifischer Vorführpraxis spürbar: Es ist stets sie selbst, die die Programme neu zusammenstellt, indem sie auf ihren mehrere hundert Filme umfassenden Katalog an Arbeiten zurückgreift. Kein Programm wird je wiederholt, jede Vorführung wird verstanden als ein einzigartiges Zusammenspiel zwischen Raum, Publikum, Filmprojektor und Filmemacherin, die ein einmaliges Ereignis teilen.

Diese Vorführpraxis findet in Bruno Delgado Ramos Arbeiten, als gedankliche Verwandtschaft, als ein geteilter Blick, ihr Echo, da Fanderl für Ramo ein prägendes Vorbild für die eigene filmische Praxis darstellt. Ramo “entwickelt seine Arbeit als eine auf der Kunstpraxis basierende Forschung, die einen experimentellen und räumlichen Zugang zum Kino sucht, wobei die Ideen der Spezifität und des Prozessualen wichtig sind.” Im Rahmen von exf f. 2022 wird er seine filmischen Raumerkundungen in einem Doppelprogramm präsentieren, das sowohl Performances, wie auch Super 8, 16mm und 35mm-Filme umfasst.

Eine wieder andere Form der Zusammenarbeit präsentiert uns die Arbeit des Schweizer Filmemachers, Malers, Performancekünstlers und Kurators Hannes Schüpbach. Schüpbach interessiert sich für das Entstehen und Vergehen von Einzelmomenten im Gefüge der Zeit, die er zu rhythmischen Konstellationen verwebt und Aufnahmen von Natur, Menschen und Räumen zu Partituren zusammenfügt. Seit Beginn seines Filmschaffens Ende der 90er Jahre steht Schüpbach im Kontakt mit unterschiedlichen Künstler:innen und Dichter:innen, deren Einflüsse und Ideen sich in verschiedenster Weise in seine künstlerische Praxis eingeschrieben haben. So arbeitete er zum Beispiel mit dem Archäologen und Dichter Joël-Claude Meffre zusammen. Sein neuester, 2020 fertiggestellter Film Essais ist ein Porträt von sieben seiner Freund:innen, Künstler:innen, Kreative und Wissenschaftler:innen, mit denen er in engem Austausch steht. 

Dieses Miteinander ist es auch, das unsere eigene Herangehensweise an exf f. prägt. Wir möchten nicht Filme gegeneinander ausspielen, weshalb wir auch Wettbewerbe für unser Format ablehnen. Wie auch schon letztes Jahr, wird unsere Programmauswahl durch die Arbeit verschiedener Kurator:innen begleitet, die durch ihre jeweiligen Perspektive und Arbeitsweisen, unsere eigenen Ansätze und Ideen bereichern, ergänzen und erneuern. Neben Martin Grennberger und Daniel A. Swarthnas, ist es uns eine Freude Annette Brauerhoch dafür gewinnen zu können, einen Teil unseres diesjährigen frankfurter formen-Programms zu bespielen. Sie wird Filme aus dem von ihr an der Universität Paderborn gegründeten Archiv für den bundesdeutschen Experimental- und Avantgardefilm von Frauen präsentieren. Die von 2004 bis 2014 aufgebaute Sammlung ist ein beeindruckendes Beispiel für die Möglichkeiten, innerhalb eines institutionellen Kontexts, ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Das Archiv sichert nicht nur den Erhalt eines oft vernachlässigten und ignorierten Filmschaffens, es bietet zudem auch jungen Student:innen den Zugang und die Möglichkeit der Sichtung dieser Werke, die mit ihren “formalen und inhaltlichen Konfrontationen mit und Infragestellung von etablierten Normen der „Filmkunst“”, essentielle Quellen der Inspiration darstellen. 

Darüber hinaus sind wir sehr beglückt, wie bereits im vergangenen Jahr, mit der Kinothek Asta Nielsen zusammenarbeiten zu können: Für die diesjährige Ausgabe hat Karola Gramann gemeinsam mit der Filmemacherin und Filmwissenschaftlerin Christine Noll Brinckmann ein Programm mit deren Arbeiten zusammengestellt, das die beide im Gespräch während exf f. vorstellen werden.  Unser Abschlussprogramm schließlich versammelt mit Ken Jacobs und Takashi Makino zwei audio-visuelle Künstler, die zwar verschiedenen Generationen angehören, deren Werke aber in einem tiefgehenden Interesse für die Erkundung der technischen Möglichkeiten des Kinos und seiner Grundelemente - allem voran dem Projektor - verankert sind.  Eine kleine Ausnahme gibt es dann aber doch: mit A Child's Garden and the Serious Sea präsentieren wir einen Film der Experimentalfilm-Ikone Stan Brakhage. Wir freuen uns den Film im DFF-Deutsches Filminstitut/Filmmuseum zu zeigen, das dieses Jahr, neben der Pupille, ein weiterer Spielort sein wird.

Ein großer Dank geht an unsere Förder:innen, die HessenFilm und Medien GmbH, das Kulturamt der Stadt Frankfurt, dem AStA der Goethe-Universität Frankfurt sowie unsere Kooperationspartnerin die Kinothek Asta Nielsen e. V., ohne deren Unterstützung dieses Festival nicht möglich gewesen wäre.

Martin Klein, Larissa Krampert, Björn Schmitt

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